Why Don’t You
Paul Bock, Schwippschwager und Elberfelder, proletarischer Lyriker, Arbeiter unter Arbeitern, mit rußigem Hemdkragen und Sehnsucht in der Manteltasche, lebt in dieser Zeit wie jemand, der jeden Tag gegen das Aufweichen kämpft – gegen die Verwässerung der Wörter, der Gefühle, des Hungers auf das Echte. Paul hat TikTok gesehen und wieder gelöscht, schreibt aber regelmäßig Wutgedichte in die Kommentarfunktion großer Nachrichtenseiten. Er lebt von Wort zu Wort wie andere von Schicht zu Schicht – und manchmal träumt er nachts auf Spotify. Dort hat er „Why Don’t You“ von Cleo Sol gefunden. Und er schreibt dazu, als sei das Lied in einem feuchten, schwarzen Schacht geboren worden, irgendwo zwischen einem aufgerissenen Herzen und einem Arbeitsgericht.
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Paul Bock, proletarischer Bock und Lyriker (hier im Wartebereich des Jobcenters Wuppertal) |
Paul Bock über „Why Don’t You“ von Cleo Sol
(Ein Gedichtbericht in Zunder und Milchglas)
Warum
warum rufst du nicht an –
fragst nicht, wo mein Gesicht nachts liegt,
wenn die Matratze zu weit wird
für ein einzelnes Rückgrat?
Warum lässt du mich reden,
wenn du weißt,
dass meine Stimme
auf deinen Lippen
erst zu atmen beginnt?
Cleo Sol singt nicht.
Sie ragt aus der Stille.
Sie ist der Punkt hinter einem Satz,
der nie gesagt wurde,
weil das Zittern im Brustkorb
schneller war als die Sprache.
Sie fragt nicht mit Fragezeichen,
sondern mit Blicken,
die durch ein Fenster steigen,
hinter dem jemand raucht
und jemand anderes fehlt.
„Why don’t you“
– das ist keine Bitte.
Das ist ein Klagelied
im Kleid einer Kaffeepause.
Ein Streik der Seele gegen die Abwesenheit.
Ihr Sound
ist weich,
aber wie Leinen auf wunden Schultern.
Nichts daran ist bequem.
Nichts ist falsch.
Es ist alles: Wahr wie das Brennen nach einem Kuss,
den keiner sich traute.
Ich hörte sie nachts
zwischen zwei leeren Flaschen,
und sie setzte sich neben mich,
sprach nicht viel,
aber ließ den Raum kleiner werden,
sodass ich wieder atmen konnte.
Cleo Sol
ist nicht groß in diesem Lied.
Aber sie ist größer als die Antwort,
die nie kam.
XOXO
Paul Bock
Hören Sie "Why Don’t You" von Cleo Sol selbst: In der Kuschelbock Playlist bei Spotify
Der Kuschelbock merkt an: Weniger lyrisch aber ähnlich begeistert zeigt man sich bei www.stereofox.com über "Why Don't You" von Cleo Sol.