La Vie en Rose
Karl ist Modeschöpfer, Designer, Fotograf und Kostümbildner und darüber hinaus ein Sprachstilist, ein Konzept, ein Kunstgriff – ein Bock, der Sätze wie Rasierklingen trägt und Gedanken wie maßgeschneiderte Handschuhe. Wir haben ihn auf ein Glas Cola Light getroffen und mit ihm über "La Vie en Rose" von Grace Jones gesprochen.
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Karl Bock, Haute Couture Bock |
Karl Bock über "La Vie en Rose" in der Fassung von Grace Jones
Ach bitte –
was soll dieses sentimentale Gerede über Rosen, wenn sie doch am nächsten Tag verwelkt im Designerpapier liegen?
La vie en rose?
Ich sage: La vie en vernis noir.
Das Leben ist kein Rosé, es ist ein durchkomponierter Cocktail aus Disziplin, Silhouette und Distanz.
Und deshalb – nur deshalb – funktioniert Grace Jones.
Édith Piaf war Drama.
Grace ist Design.
Piaf flehte, Grace befiehlt.
Piaf wollte geliebt werden.
Grace macht Liebe zur Disziplinarfrage.
Sie nimmt diese Zeile – “Quand il me prend dans ses bras” –
und sagt sie nicht mit Herz.
Sondern mit Schulterpolstern.
Diese Version ist kein Lied,
es ist ein Catwalk.
Die Synthesizer vibrieren wie Lichtbalken in einem Pariser Club um drei Uhr früh.
Und wenn Grace die Zeilen sagt,
dann ist das nicht Nostalgie –
es ist ein Statement aus Stahl und Lippenstift.
Ich habe Grace oft bewundert.
Sie war nie hübsch im klassischen Sinn –
und das ist ihre größte Schönheit.
Denn Schönheit, wie ich immer sagte, ist uninteressant ohne Charakter.
Und Charakter ist hier jeder einzelne Takt.
Selbst das Arrangement – dieser Tropfen Dub, dieser elektronische Nebel –
alles wirkt wie Haute Couture auf Vinyl:
Man weiß, das ist nicht für jeden gemacht.
Aber für die, die es verstehen,
ist es ein Manifest.
Wenn man genau hinhört –
und ich höre immer genau hin –
dann ist in diesem Stück nicht ein Funken echter Romantik.
Aber sehr viel Inszenierung von Sehnsucht.
Und das, meine Lieben, ist die wahre Kunst:
So tun, als ob man fühlt – mit solcher Konsequenz,
dass man es irgendwann wirklich tut.
Was ich sagen will:
Grace Jones macht aus La Vie en Rose keine Hymne auf die Liebe.
Sondern auf die Kontrolle über das Gefühl.
Und wer das nicht versteht,
sollte weiter Édith hören.
Aber dann bitte ohne Chanel.
XOXO
Karl
Hören Sie "La Vie en Rose" in der Fassung von Grace Jones selbst: In der Kuschelbock Playlist bei Spotify